17. November 2012
Perpignan
Hinter einem Bahnhäuschen am Fluss liegt ein junger Mensch unter löchrigen Decken und alten Schlafsäcken auf einer abgewetzten Matratze. Daneben ein schlafender
schwarzer Hund. Zehn Uhr in der Morgensonne Perpignan, wir sind bald
in Spanien. Die Kinder der Maternelle haben Pause. Sie spielen
kreischend hinter dem zwei Meter hohen Gitterzaun. Ein kleines
Mädchen sitzt alleine am Boden, den Rücken gegen den Zaun, Augen
zu, das Gesicht in der Sonne. Am Bahnhof umringen mich drei Männer
in Zivil. Guten Tag Monsieur, Police National, Ausländerkontrolle,
Ihre Papiere bitte, woher sind Sie, wohin gehen Sie, was machen Sie
hier, wer war das, der eben mit Ihnen war. Gestern an der
Autobahnraststätte dasselbe Prozedere. Sie haben fünfzehn Minuten
lang unsere Pässe kontrolliert. Rote Büchlein, die es uns als
Geburtsrecht erlauben, in solchen Fällen keine Probleme zu haben,
die uns zu Angehörigen einer Nation erklären, welche es im
weltweiten Gerangel um Macht und Ressourcen an die Spitze geschafft
hat. Zwei Enten haben Sex unter der Eisenbahnbrücke, welche über
das Flüsschen führt. Dabei taucht das Weibchen ganz ins Wasser.
Vorher nickten sie eine Weile synchron mit den Köpfen. Danach
waschen und schütteln sie sich. Fünf Polizisten mit blauen
Plastikhandschuhen verhaften zwei Obdachlose, welche sich in der
Einkaufsmeile vor ein Modegeschäft gesetzt haben um Wein aus
Kartonpackungen zu trinken und die Wintersonne um Gnade zu bitten.