Einladung nach X


Dies ist eine Einladung zum Sehnsüchte teilen und leben. Ein Aufruf an die Verlierenden im angstvollen Spiel einer zerstörerischen Kultur. Ein Aufruf zur Authenzität. Ich freue mich sehr auf allerlei Antworten. Auf Begegnungen und gemeinsame Schritte. Auf Lebensrufe, Kommentare, Symbolkritik und weitere Übersetzungen. Ich freue mich auf die Umsetzung. Dies ist ein Aufruf, im Brachland der Welt Oasen zu schaffen, in denen wir wieder leben können. » basko@riseup.net



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VISION 

Dies ist die Vision von X, einem Land, auf dem wir das freie Leben ausrufen. Es ist bei weitem nicht die erste solche Vision und lange nicht der erste Ort. Es ist lediglich der Ort, den wir schaffen, die wir uns zusammenfinden. X könnte zum Beispiel hier sein: 29.083964,-10.382856. Oder ganz anderswo. Wir verstehen X symbolisch als Oase in der Wüste.

X ist ein heilendes Biotop. Durch die vergangenen Jahrtausende menschlicher Zivilisation wurde die Natur in den meisten Teilen der Erde gestört. Wir wollen mit X einen Ort schaffen, an dem wir darauf hinarbeiten, diese Verletzungen zu heilen; die natürlichen Kreisläufe des Lebens wiederherzustellen; die Energie des Lebens zu befreien; und uns als Menschen mit uns selbst und mit unserer Lebensquelle zu versöhnen. Wir wenden uns gegen jede Unterdrückung der Sehnsucht des Lebens.

X ist ein Ort der Permakultur. Wir wollen X als Lebensraum gestalten, der zum Wohl des Lebens in all seinen Erscheinungsformen arbeitet. Ich sehe die Ethik, die Prinzipien und Techniken der Permakultur als äusserst hilfreich für den Aufbau einer natürlichen Lebensgemeinschaft, in der ich mich als Mensch glücklich verwirklichen kann, ohne Lebensraum zu zerstören.

X ist eine Lebensgemeinschaft, die nach Autarkie strebt, nach der Unabhängigkeit von äusseren Ressourcen. Ein bedeutender Teil unserer Freiheit ist die Fähigkeit, nachhaltig von den Ressourcen des Landes zu leben, auf dem wir wohnen. Dies bedeutet nicht, dass wir uns von der umliegenden Zivilisation abschotten müssen und ihre Erzeugnisse nicht benutzen dürfen, sondern dass wir eine Lebensweise schaffen, in der wir unabhängig davon langfristig erfüllt und glücklich leben können.

X ist eine Gemeinschaft aller Lebewesen, die diesen Lebensraum teilen. Wir streben jeden Moment nach der höchsten Ausgestaltung der Individualität jedes Einzelnen und der optimalen Kooperation untereinander. Wir leben Freiheit, Respekt, Transparenz und Selbstverantwortung.

X ist eine Unterkunft für Vorbeiziehende. Für Landstreicher und Enttäuschte, für die Freie und für alle, die nach einem besseren Leben suchen. Wir heissen sie willkommen, unter uns zu sein und sich an diesem Raum des freien Lebens zu laben. Wir laden sie ein, mit uns diese Oase zu gestalten. Wir wünschen, dass sie die Wurzeln und Äste strecken helfen, auf dass die Welt ein Urwald des Lebens wird.

X ist ein Land frei von Imperativen und künstlichen Grenzen. Ein Land für die spontane Kooperation des Lebens

X ist ein Raum für Ehrlichkeit. Für Lebendigkeit, Kreativität und Vergänglichkeit.

X ist niemands Eigentum. Wenn X gekauftes Land ist, könnte es rechtlich einer Stiftung oder einem Verein mit unveränderbarem Zweck überschrieben werden.


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GRUND 

Es macht aus vielerlei Gründen keinen Sinn, in der globalen Zeitkultur weiterzuleben. Viele andere haben Bücher mit den Gründen gefüllt und es gibt noch täglich neue, die man hinzufügen könnte. Ich beschränke mich darauf, festzustellen, dass unsere Kultur wahnsinnig ist. Sich ihr anzuschliessen bedeutet, auf eine steil abfallende Klippe zulaufen und dabei alles mitreissen, was man mit den Armen greifen kann, auf dass es mit uns fällt und zersplittert. Daran ändert sich nichts, wenn wir im Wahn daran glauben, dass über den Abgrund eine unsichtbare Brücke zum Paradies einer vervollständigten Zivilisation führt. Denn selbst wenn es diese Brücke gibt, so führt sie nur in die Hölle eines künstlichen Lebens.

Es macht aus vielerlei Gründen keinen Sinn, in der globalen Zeitkultur weiterzuleben. Und es macht aus ebenso vielen Gründen keinen Sinn, diese Kultur zu verbessern oder zu verändern, in ihr Positionen zu beziehen und Kämpfe für das Gute auszufechten. Denn der Wahnsinn dieser Kultur liegt nicht nur in der Art, wie sie sich ihrem Ziel nähert, sondern vielmehr in dem Ziel selbst, welches sie anstrebt.

Die Kriege und Massaker, die Folter und Krisen, die blutrünstigen Spiele um Macht und Ressourcen, die Umweltkatastrophen, die systematische Gewalt, Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Armut und Elend – die Gräuel dieser Zeit, über die ich mich empöre, sind nur die Spitzen eines riesigen Eisgebirges, welches Menschen mit der Zivilisationskultur geschaffen haben, und welches sie mit der Kälte ihrer Ignoranz täglich höher frieren lassen.

SEHNSUCHT 

Ich sehne mich nach Raum für das freie Leben. Raum für freies Leben ist das, was die Erde seit Millionen Jahren für all ihre Lebewesen ist: Der Raum, in dem sie ihre Eigenheit entfalten, sich ausleben und ihrer Lust folgen, die Welt zu geniessen. Sie bilden so den endlosen Kreislauf des Lebens und erlauben sich gegenseitig ihre Existenz. Es ist diese Gesamtheit dieses freien Lebens, was wir Natur nennen.

Die menschliche Zivilisationskultur, welche sich heute über den ganzen Planeten ausbreitet, hat diesen Kreislauf verlassen. Für sie ist die Natur nicht Lebensraum sondern Ressource, um ein künstliches System am Laufen zu halten. Sie befindet sich in einem Teufelskreis aus Zerstörung, Angst und Frustration. Sie ist dabei, Stück für Stück das Leben auf Erden zu vernichten.

Ich bin in einer Hochburg dieser Zivilisation aufgewachsen. Ich sehe ihre Zerstörung, erlebe ihre Verlogenheit und fühle ihre Hochkultur der Angst. Ich gehöre zu den wenigen, welche von ihren Mechanismen profitieren – durch einen leichten Zugang zu materiellen Gütern, Technologie, Nahrung und Geld. Durch die Befriedigung von Ersatzbedürfnissen nehme ich meine eigentlichen Bedürfnisse oft nicht mehr wahr. Die Betäubung meiner Sinne lenkt mich von meiner Verbundenheit mit dem freien Leben ab. Und die Allgegenwart der Angst entmutigt mich, zu mir selbst zu stehen. Doch tief in mir fühle ich die Sehnsucht nach der Freude zu sein, nach der Freiheit, meine Eigenheit zu leben, und nach der Befriedigung meiner Lust im Kreislauf des Lebens.

In einer Welt, welche durch den Wahn der Zivilisation, ein künstliches, kontrollierbares System zu schaffen, in eine Wüste aus Zerstörung und Frustration verwandelt wurde, will ich eine Oase ausrufen. Ich will dazu beitragen, Raum für das freie Leben zu schaffen. Auf dass es die Wüste überwuchert.

MUSTER 

Um in dieser Zivilisation zu überleben, habe ich mir unzählige Wahrnehmungs-, Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster zugelegt. Um mich in einem Raum des Freien Lebens zurechtzufinden, gilt es, mich dieser Muster bewusst zu werden. Zum Beispiel habe ich als Kind dieser Zivilisation gelernt, meine Sinne voneinander zu trennen, hierarchisch zu ordnen und meine Wahrnehmung in Symbole zu abstrahieren, statt unmittelbar und mit allen bewussten und unbewussten Sinnen gleichermassen in der Wahrnehmung zu leben. Seither begrenze ich mein Denken auf den engen Raum dieser Abstraktion. Ich habe gelernt, mich in einer linearen Zeit zu bewegen, statt in der Ewigkeit des Moments. Seither lasse ich mich von Imperativen der Vergangenheit fesseln und von Ängsten der Zukunft jagen. Ich habe gelernt, meine Existenz durch den Besitz von Ressourcen zu sichern (respektive deren Abstraktion in Form von Geld), statt durch meine Einbettung in einen Kreislauf aus Erhalten, Verbrauchen, Schaffen und Geben. Seither verbringe ich die meiste Zeit in der Angst vor der Knappheit und im endlosen Streben nach stabilem Eigentum. Diese und viele andere Muster verleihen der Zivilisation, in der ich lebe, ihre vermeintliche Macht über die Natur, von der sie sich lossagt und die sie zerstört. Um Raum für freies Leben zu schaffen, will ich mich von diesen Konzepten und ihren Verhaltensmustern lossagen.